Wie kann verhindert werden, dass Menschen nach einem Schlaganfall erneut davon betroffen werden?
HANNOVER.
In Deutschland erleiden jedes Jahr 270.000 Menschen einen Schlaganfall. Das kann schwere Behinderungen zur Folge haben: Lähmungen, Sprachstörungen und Probleme beim Gehen. Oft bleibt es nicht bei einem einmaligen Ereignis. Viele Patientinnen und Patienten erleben einen erneuten Schlaganfall und damit eine weitere Verschlechterung ihrer Gesundheit. Wie kommt es zu diesen Wiederholungen und wie können sie verhindert werden? Dieser Frage gehen Forschende im multinationalen CRESCENDO-Konsortium nach. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Hannover, Sevilla und Basel/Zürich wollen herausfinden, was durch einen Schlaganfall auf biologischer Ebene im Körper passiert. Privatdozent Dr. Gerrit Große von der Klinik für Neurologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) koordiniert die Studie. Das Projekt wird im Rahmen des europäischen Forschungsnetzwerks ERA-NET NEURON mit 770.000 Euro für drei Jahre gefördert.
20 Prozent aller Schlaganfälle sind Rezidive
Ein Schlaganfall ist eine plötzlich auftretende Durchblutungsstörung im Gehirn. In den meisten Fällen wird er durch einen Gefäßverschluss ausgelöst, seltener durch eine Blutung im Gehirn. „In den vergangenen Jahren gab es deutliche Fortschritte bei der Akutbehandlung. Doch die Zahl der Schlaganfälle ist weiterhin sehr hoch“, erklärt Dr. Große. Das gelte besonders für wiederkehrende Schlaganfälle, die etwa 20 Prozent aller Schlaganfälle ausmachen. „Das deutet darauf hin, dass die derzeit verfügbaren Maßnahmen zur Verhinderung rezidivierender Schlaganfälle bei vielen Patienten nicht ausreichend wirksam sind“, erläutert Dr. Große. Aktuell zielen die Präventionsmaßnahmen darauf ab, die Blutgerinnung zu hemmen und den Einfluss allgemeiner Risikofaktoren wie beispielsweise Bluthochdruck und Diabetes zu minimieren. „Die komplexe Pathophysiologie des Schlaganfalls, also die Krankheitsvorgänge, wird bei der Vorbeugung wiederholter Schlaganfälle aktuell zu wenig berücksichtigt“, stellt der Arzt fest.
Auf der Suche nach molekularen Mediatoren
Um neue Strategien zur Prävention von wiederkehrenden Schlaganfällen entwickeln zu können, möchte das CRESCENDO-Konsortium nun die Pathophysiologie besser verstehen. Deshalb will das internationale Team die Vorgänge auf molekularer Ebene erforschen. Dabei gehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf die Suche nach molekularen Mediatoren, das sind Botenstoffe wie beispielsweise Hormone, Proteine oder DNA-Fragmente. „Bestimmte Mediatoren können durch einen Schlaganfall freigesetzt werden und an anderer Stelle im Körper Prozesse auslösen, die wiederum das Risiko für einen erneuten Schlaganfall erhöhen könnten“, erklärt Dr. Große die Hypothese der Studie. „Wenn wir diese Mediatoren und ihre Konzentration im Blut kennen, könnten gezielt neue therapeutische präventive Ansätze entwickelt werden.“
5.000 Blutproben werden untersucht
Die drei Konsortialpartner bringen ihr spezifisches methodisches Fachwissen in die Untersuchung ein und werden Blutproben von insgesamt 5.000 Patientinnen und Patienten auswerten. Dabei richten sie den Blick einerseits auf eine Vielzahl molekularer Mediatoren und andererseits auf ganz bestimmte, schon vorher ausgewählte Moleküle. Da es bereits möglich ist, auf die ausgewählten Mediatoren mit Medikamenten zu reagieren, rechnet Dr. Große damit, dass innovative Strategien zur Schlaganfallsekundärprävention verhältnismäßig zeitnah in die klinische Praxis umgesetzt werden könnten.